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Sonntag, 18. Januar 2015

Ein verspielter Code - die Briefmarkensprache

Schweizer Postkarte mit Poststempel aus dem Jahr 1929.


Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an Chiffren und Codes dank neuer Kommunikationstechniken ständig zu und zwar nicht nur in Geheimdienstkreisen. Verschlüsselte Nachrichten wurden zu beliebten Themen in Krimis und Abenteuerromanen; berühmte Beispiele finden sich in E. A. Poes Goldkäfer und A. Conan Doyles Die tanzenden Männchen. Chiffren und Codes erschienen auch auf den Rätselseiten in Zeitungen und Magazinen und das Entwickeln neuer Chiffren und Codes zum privaten Vergnügen wurde zu einer beliebten Beschäftigung. Manche der damals entwickelten Chiffren – wie die Dorabella- und die Beale-Chiffre – sind bis heute ungelöst.

In dieser allgemeinen Begeisterung für Geheimbotschaften kamen auch zahlreiche "Geheimsprachen" auf, die vor allem Liebenden die Möglichkeit geben sollten, unbemerkt zu kommunizieren. Zu diesen verspielten Codes, die kaum geheimdienstlich genutzt wurden,* gehören die Blumensprache, die in Chiffren im Schnee erwähnte Fächersprache und die Briefmarkensprache, deren Aufkommen eng in Zusammenhang mit der Erfindung der Postkarte in den 1860er Jahren steht. (Die Postkarte löste einen enormen Boom der privaten Korrespondenz aus, sie war sozusagen die Email des 19. Jahrhunderts.)

Wann genau die Briefmarkensprache entwickelt wurde, lässt sich nicht genau eruieren. Sie kam Ende des 19. Jahrhunderst wahrscheinlich im englischen Sprachraum auf und erfreute sich bis ins frühe 20. Jahrhundert in weiten Teilen Europas grosser Beliebtheit. Der Code der Briefmarkensprache beruhte auf der Platzierung der Marke, meistens wurden 12 Positionen entsprechend einem Zifferblatt verwendet, die Neigung der Marke erlaubte zusätzliche Variationen. Der entsprechende Schlüssel wurde in Zeitschriften, Büchlein und wie bei der hier verwendeten Illustration als Postkartensujet  geliefert.

Genau wie bei den anderen verspielten Codes litt auch die Briefmarkensprache unter einem Schlüssel-Problem. Wer kurz nach weiteren Beispielen sucht, stellt sofort fest, dass kein einheitlicher Schlüssel existierte. Das war vielleicht der Grund, warum der Absender der obigen Karte auf der Rückseite die Briefmarke ordentlich in der rechten oberen Ecke platzierte und stattdessen auf der Vorderseite die Botschaft, die er übermitteln wollte, fein säuberlich unterstrich.


*Die Briemarkensprache wurde eventuell trotz ihrer Auffälligkeit geheimdienstlich genutzt, dann aber natürlich mit einem anderen Schlüssel. Bekannter sind allerdings andere Methoden, Briefmarken geheimdienstlich zu nutzen wie Steganographie und Mikropunkt.

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