Der hier zitierte Artikel aus dem Frühjahr 1914 illustriert die in der Belle Epoque herrschende wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Mode. Zeitschriften und Journale berichteten regelmässig über die neuesten Modetrends und zwar anhand von Bildern der damaligen Stilikonen – Schauspielerinnen wie Sarah Bernhardt, Opernsängerinnen, Damen der feinen Gesellschaft und der damaligen Entsprechung von It Girls.
Besonderes Augenmerk wurde aber den grossen Pferderennen von Ascot, Auteil, Derby, Epsom und Longchamps geschenkt. Was dort getragen wurde, galt als der letzte Schrei. Die Pferderennen waren die Belle Epoque Version des heutigen Roten Teppichs bei Filmpremieren und Award Shows. Ein Überbleibsel dieses Phänomens ist das jährliche Auftauchen der Hutmode beim Rennen von Ascot in den Medien – wenn gleich es jetzt weniger um Trends als die Verrücktheiten der (Neu-)Reichen geht.
Die neuesten Schöpfungen der Pariser Mode
Auteil,
die westliche Vorstandt von Paris, die durch eine Festungsmauer vom reizenden
Bois de Boulogne abgeschieden ist, hat den grossartigsten Pferderennen, die im
Frühjahr stattfinden, seinen Namen gegeben. Die Rennen von Auteil bieten der
Pariser Damenwelt, der „halben“ und der ganzen, den willkommenen Anlass, sich in
den geschmackvollsten und feinsten Erzeugnissen der Bekleidungskunst
vorzustellen. Mit einem wahren Raffinement werden alle Vorzüge der persönlichsten
Erscheinung von den auserlesensten Meistern des Faches herausgehoben, und was
an neuen Geweben, Farben und Federn erschienen ist, wird in künstlerischer Vollendung
mit der schönen Trägerin zu einem stilvollen und reizenden Gesamtbild vereinigt.
Mit der "halben" Damenwelt sind natürlich die Geschöpfe der "demimonde" gemeint, die sich immer hart am Rande des Schicklichen bewegten – oder auch jenseits davon. Der Begriff geht auf Alexander Dumas zurück, der damit die elegante, aber ruchbare Welt der Künstler, Kurtisanen und Lebemänner im Paris Mitte des 19. Jahrhunderts umschrieb.
Mit der "halben" Damenwelt sind natürlich die Geschöpfe der "demimonde" gemeint, die sich immer hart am Rande des Schicklichen bewegten – oder auch jenseits davon. Der Begriff geht auf Alexander Dumas zurück, der damit die elegante, aber ruchbare Welt der Künstler, Kurtisanen und Lebemänner im Paris Mitte des 19. Jahrhunderts umschrieb.
Die ersten Modehäuser der Weltstadt wetteifern, dem guten Geschmack
voranzueilen und ihm die Bahn zu weisen und sie bieten alles auf, um beim
Rennen von Auteil mit Ehren zu bestehen. Aber nicht reich, nicht
verschwenderische und nicht überladen, sondern, zart, verführerisch und
mitunter auch blendend, das sind die Eigenschaften, die ein Beherrscher der
Mode seinen Erzeugnissen zu geben sucht. Die jetzige Modefarbe heisst natürlich
„Tango“, ein intensives, ins Braunrote fliessendes Orange. Die Modebilder, die
wir hier wiedergeben, entstammen der glänzenden Schau in Auteil vom 29. März
dieses Jahres. „Modetorheiten“ wird mancher sagen, aber wie viel Erwerb von Industrie
hängt an dieser Heerschau von Mode.
König der Pariser Modeszene war Paul Poiret (1879-1944), auch le Magnifique genannt. Seine Entwürfe waren elitär und teuer, weshalb die Gräfin Tarnowska auch nur Kopien besass. Poiret hatte die Frauenwelt noch vor Chanel vom Korsett erlöst, seine oft stark orientalisch beeinflussten Entwürfe machten das steife Untergerüst unnötig. Zu seinen berühmtesten Schöpfungen gehörten die Haremshose die Lampenschirm-Tunika und der Humpelrock. Die Dame links und die Dame rechts tragen vom Humpelrock inspirierte Modelle.
Der Tango hatte seinen Siegeszug in Europa um 1912/1913 angetreten, natürlich von Paris aus und zum Teil gegen erheblichen behördlichen Widerstand. Der Tango wurde, wie seinerzeit der Walzer, als sittenwidrig und anrüchig betrachtet. Trotzdem oder wohl gerade deshalb setzte ein wahrer Tango-Boom ein: In Paris gab es Tes dansantes und in London Tango Teas. Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg gelten als erste Blützeit des Tango in Europa. Der Tango wird zudem für zahlreiche modische Neuerungen verantwortlich gemacht und tatsächlich galt Orange als die Farbe des Tango. Eine logische Erklärung hierfür konnte ich nicht finden. Eventuell stellte man im Französischen eine etymologisch nicht korrekte Verbindung zwischen Tango und Tangerine (Mandarine) her – ob Pantone Tango der hier beschriebenen Farbe nahe kommt, kann ich nicht sagen.
König der Pariser Modeszene war Paul Poiret (1879-1944), auch le Magnifique genannt. Seine Entwürfe waren elitär und teuer, weshalb die Gräfin Tarnowska auch nur Kopien besass. Poiret hatte die Frauenwelt noch vor Chanel vom Korsett erlöst, seine oft stark orientalisch beeinflussten Entwürfe machten das steife Untergerüst unnötig. Zu seinen berühmtesten Schöpfungen gehörten die Haremshose die Lampenschirm-Tunika und der Humpelrock. Die Dame links und die Dame rechts tragen vom Humpelrock inspirierte Modelle.
Der Tango hatte seinen Siegeszug in Europa um 1912/1913 angetreten, natürlich von Paris aus und zum Teil gegen erheblichen behördlichen Widerstand. Der Tango wurde, wie seinerzeit der Walzer, als sittenwidrig und anrüchig betrachtet. Trotzdem oder wohl gerade deshalb setzte ein wahrer Tango-Boom ein: In Paris gab es Tes dansantes und in London Tango Teas. Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg gelten als erste Blützeit des Tango in Europa. Der Tango wird zudem für zahlreiche modische Neuerungen verantwortlich gemacht und tatsächlich galt Orange als die Farbe des Tango. Eine logische Erklärung hierfür konnte ich nicht finden. Eventuell stellte man im Französischen eine etymologisch nicht korrekte Verbindung zwischen Tango und Tangerine (Mandarine) her – ob Pantone Tango der hier beschriebenen Farbe nahe kommt, kann ich nicht sagen.
Vom Pelzjäger im kalten Norden bis zum
Seidenzüchter im warmen Süden, vom Webstuhl bis zur fernsten Hütte der
Spitzenklöpplerin dringt dieses pulsierende Leben der Mode. Alle liefern so
ihre Erzeugnisse dazu, um der neuesten Mode zum Sieg zu verhelfen und wer von ihr nicht berücksichtigt wird, hat
schwer unter ihrer Laune zu leiden. Wie viel Versuche wurden schon gemacht,
sich unabhängig von der Mode zu machen, sie herüberzuziehen nach London, Berlin
oder Wien. Aber sie lässt sich nicht herbei, auszuwandern, denn überall fehlt
ihr das Hauptelement, die hübsche und chicke Pariserin mit ihren lachenden
Augen, ihrer schlanken Gestalt und ihrem graziösen Gang. Pariserin und Mode
sind eins geworden und werden es auch wohl noch recht lange bleiben, trotz
Reformbestrebung und Konkurrenzneid der übrigen Grossstädte, die selbst jede tonangebend sein möchte.
Dieser Abschnitt illustriert eindringlich die wirtschaftliche Verflochtenheit, die dieses erste globale Zeitalter auszeichnete. Ebenfalls zu spüren, wenngleich in spielerischer Form ausgedrückt, ist ein weiteres Merkmal der Epoche: der ausgeprägte Nationalismus. Grosse Modehäuser gab natürlich in anderen europäischen Hauptstädten (vor allem London) und dass um die Vormacht auf dem lukrativen Markt gerungen wurde, ist nicht weiter überraschend. Ob es wirklich die Pariserin war, welche Frankreich die modische Vormachtstellung sicherte, sei dahingestellt. Frankreich hatte sich bereits im 18. Jahrhundert als Modezentrum etabliert. Das Klischee von der Pariserin als ultimative Verkörperung von Stil und Eleganz wurde wohl um diese Zeit geboren und hat bis heute zahlreiche Revolutionen und Kriege überdauert.
Schweizer Illustrierte Zeitung Heft 15/1914
Dieser Abschnitt illustriert eindringlich die wirtschaftliche Verflochtenheit, die dieses erste globale Zeitalter auszeichnete. Ebenfalls zu spüren, wenngleich in spielerischer Form ausgedrückt, ist ein weiteres Merkmal der Epoche: der ausgeprägte Nationalismus. Grosse Modehäuser gab natürlich in anderen europäischen Hauptstädten (vor allem London) und dass um die Vormacht auf dem lukrativen Markt gerungen wurde, ist nicht weiter überraschend. Ob es wirklich die Pariserin war, welche Frankreich die modische Vormachtstellung sicherte, sei dahingestellt. Frankreich hatte sich bereits im 18. Jahrhundert als Modezentrum etabliert. Das Klischee von der Pariserin als ultimative Verkörperung von Stil und Eleganz wurde wohl um diese Zeit geboren und hat bis heute zahlreiche Revolutionen und Kriege überdauert.
Schweizer Illustrierte Zeitung Heft 15/1914
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen